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War früher wirklich alles besser?

Fischbestände in heimischen Flüssen und Bächen im Wandel der Zeit

Wer mit älteren Anglern spricht, hört häufig dieselbe Klage: „Früher war das Wasser voller Fische, heute ist alles leer!“ Geschichten über Forellen, die in Schwärmen durch die Bäche zogen und über Karpfen, die in großen Gruppen an den Ufern standen, gehören vielerorts zur gängigen Erzählung.

Doch wie viel Wahrheit steckt hinter diesem Eindruck? Ist es bloß Verklärung der Vergangenheit oder gibt es tatsächlich fundierte Hinweise darauf, dass die Fischbestände in unseren Flüssen und Bächen deutlich zurückgegangen sind?

Gibt es Belege für den Rückgang?

Tatsächlich gibt es mehrere wissenschaftliche Untersuchungen, die einen Rückgang vieler Fischarten in deutschen und mitteleuropäischen Fließgewässern belegen. Besonders hervorzuheben sind dabei die Arbeiten des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) sowie Langzeituntersuchungen aus großen Flusssystemen wie dem Rhein, der Elbe und der Donau.

Eine umfassende Analyse des IGB aus dem Jahr 2019 („Langfristige Entwicklung der Fischbestände in deutschen Fließgewässern“) zeigt, dass vor allem typische Strömungsfische wie Barbe, Äsche und Nase starke Rückgänge verzeichnen. Die Studie basiert auf über 30 Jahren Monitoring-Daten und belegt, dass die Vorkommen dieser Arten in vielen Gewässerabschnitten um bis zu 80% zurückgegangen sind. Besonders dramatisch sind die Rückgänge in Mittel- und Unterläufen, während Oberläufe etwas stabiler erscheinen.

Auch der „Rhein-Fischatlas“ dokumentiert die historische und aktuelle Verbreitung von über 40 Fischarten im Rheinsystem. Dort wird deutlich, dass viele Arten, die früher als Leitfische galten, wie Lachs oder Stör, heute entweder ausgestorben oder auf Besatzmaßnahmen angewiesen sind. Der Bestand an Äschen ist im Oberrhein gegenüber den 1960er-Jahren um mehr als die Hälfte eingebrochen.

Eine weitere wichtige Quelle ist der „Bericht zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie“ (WRRL), der regelmäßig von den Bundesländern erstellt wird. Hier werden neben der chemischen Wasserqualität auch die Fischbestandserhebungen als biologischer Qualitätsindikator genutzt. Auch diese Daten bestätigen: In vielen Fließgewässern erreichen die Fischbestände nicht den sogenannten „guten ökologischen Zustand“, den die WRRL vorsieht.

Ursachen für den Rückgang der Fischbestände

Die Gründe für den Rückgang der Fischpopulationen sind vielfältig und greifen oft ineinander:

Gewässerverbauung und Flussregulierungen: Querverbauungen, Staustufen und Begradigungen zerstören Wanderkorridore, Laichhabitate und strukturreiche Uferzonen.

Verschlechterung der Wasserqualität: Obwohl sich die chemische Wasserqualität in vielen Flüssen seit den 1980er-Jahren verbessert hat (z.B. durch Kläranlagen), bleibt die Belastung durch Mikroschadstoffe, Medikamente, Pestizide und Dünger hoch.

Klimawandel: Steigende Wassertemperaturen setzen besonders kälte- und sauerstoffliebenden Arten wie Forellen und Äschen zu.

Fehlende natürliche Reproduktion: Viele Fischarten finden keine geeigneten Laichgründe mehr. Ohne gezielte Besatzmaßnahmen wären manche Populationen bereits vollständig verschwunden.

Einwanderung gebietsfremder Arten: Neobiota wie Signalkrebs oder Schwarzmundgrundel verändern das ökologische Gleichgewicht und verdrängen heimische Arten.

Prädationsdruck durch Kormoran, Fischotter und andere Räuber: Besonders in regulierten und strukturarmen Gewässern sind Fische leichte Beute.

Ist die Wahrnehmung trotzdem verzerrt?

Neben den objektiven Bestandsrückgängen spielt auch die subjektive Wahrnehmung eine Rolle. Ältere Generationen erinnern sich häufig an die „Hochzeiten“ bestimmter Fischbestände, ohne die damaligen Schwankungen über längere Zeiträume zu betrachten. Außerdem war der Zugang zu Gewässern oft einfacher, der Angeldruck insgesamt geringer und das ökologische Gleichgewicht möglicherweise robuster.

Trotzdem decken sich viele dieser persönlichen Eindrücke mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen. Der Rückgang der Fischbestände ist also nicht nur ein nostalgischer Eindruck, sondern vielerorts traurige Realität.

Früher war vieles anders – und manches wirklich besser

Die Behauptung, dass früher „alles besser“ war, ist zwar pauschal formuliert, trifft beim Blick auf die Fischbestände unserer Flüsse und Bäche jedoch oft zu. Der Rückgang ist sowohl wissenschaftlich belegt als auch aus dem Erfahrungsschatz vieler Angler nachvollziehbar. Die Ursachen sind komplex, reichen von menschlichen Eingriffen bis hin zum Klimawandel. Klar ist: Ohne nachhaltige Gewässerpflege, Renaturierung und angepasste Bewirtschaftung droht vielen heimischen Arten auch in Zukunft der Verlust ihres Lebensraums.

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