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Wenn Medikamente die Instinkte von Fischen stören

Wenn Medikamente im Wasser die Instinkte beeinflussen

In unseren Gewässern lauert eine stille Gefahr – nicht in Form von Rückständen aus der Landwirtschaft, sondern auch in Form von Spuren von Medikamenten. Über Abwässer gelangen Rückstände von Psychopharmaka, Schmerzmitteln und Hormonen in die Flüsse – mit teils dramatischen Auswirkungen auf das Verhalten von Fischen.

Eine aktuelle Studie belegt: Der beruhigende Wirkstoff Clobazam beeinflusst die Risikobereitschaft junger Lachse – ein Phänomen, das sich auch auf heimische Fischarten übertragen lässt.

Medikamente im Fluss – ein unterschätztes Umweltproblem

Arzneimittelrückstände sind seit Jahren ein Thema in der Umweltforschung. Über Ausscheidungen, falsch entsorgte Medikamente oder Rückstände aus Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen gelangen Wirkstoffe wie Antidepressiva, Schmerzmittel oder Betablocker in unsere Gewässer. Da Kläranlagen viele dieser Stoffe nicht vollständig herausfiltern können, reichern sie sich an – und beeinflussen aquatische Organismen auf subtile, aber nachhaltige Weise.

Bereits frühere Studien aus Schweden haben gezeigt, dass Fische, die mit dem Antidepressivum Fluoxetin in Berührung kommen, enthemmter und aktiver werden. In Versuchen schwammen sie häufiger in offene Gewässerbereiche und reagierten langsamer auf Bedrohungen – mit deutlich erhöhter Gefahr, gefressen zu werden. Ähnliche Effekte wurden auch bei Forellen und Äschen beobachtet.

Neueste Forschung: Clobazam macht Fische risikofreudiger

Eine neue Studie aus dem Jahr 2024 zeigt, dass selbst sehr geringe Konzentrationen des Wirkstoffs Clobazam – ein Medikament zur Beruhigung und Behandlung von Angststörungen – das Verhalten von Fischen signifikant verändern kann. Untersucht wurden Junglachse, die in einer künstlichen Flussumgebung Clobazam ausgesetzt wurden. Das Ergebnis: Die behandelten Fische verließen häufiger schützende Zonen, schwammen aktiver in Strömungen und zeigten deutlich höhere Wanderlust. Auch in Bezug auf Fluchtdistanzen und Reaktionen auf Störungen verhielten sie sich auffällig unvorsichtig.

Diese Effekte lassen sich nicht nur auf Lachse übertragen. Auch bei Forellen, Barschen, Karpfen oder Weißfischen sind ähnliche neurologische Rezeptoren vorhanden, die durch Arzneimittel beeinflusst werden können. Die Verhaltensänderungen wirken sich möglicherweise negativ auf das Überleben, das Fortpflanzungsverhalten und die Räuber-Beute-Dynamik im Gewässer aus.

Auch in deutschen Flüssen messbar

In Deutschland wurden in zahlreichen Gewässern Rückstände von Schmerzmitteln, Antibiotika, Psychopharmaka und anderen Arzneistoffen nachgewiesen – etwa im Rhein, der Donau oder kleineren Fließgewässern. Besonders problematisch sind diese Stoffe in Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte, geringen Fließgeschwindigkeiten und veralteten Kläranlagen. Eine flächendeckende Filterung findet bislang nicht statt.

Was ist zu tun?

Die Forschung fordert seit Jahren den Ausbau von Kläranlagen mit sogenannten vierten Reinigungsstufen, die auch Mikroschadstoffe herausfiltern können. Gleichzeitig braucht es mehr Aufklärung über die richtige Entsorgung von Medikamenten. In der Schweiz und Skandinavien sind bereits Pilotprojekte im Einsatz, um Rückstände gezielt zu eliminieren.

Unsichtbare Gefahr mit realen Folgen

Die neuen Erkenntnisse zeigen: Was dem Menschen hilft, kann in unseren Gewässern Schaden anrichten. Medikamente wie Clobazam oder Fluoxetin verändern das Verhalten von Fischen – sie werden risikofreudiger, unvorsichtiger und möglicherweise auch anfälliger. Für Angler ist das eine wichtige Erkenntnis, denn unsere Beobachtungen am Wasser sind oft der erste Hinweis auf ökologische Veränderungen.

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