Wie mit dem Flying Lure der Kunstköder-Wahnsinn begann

Die Angelindustrie: Zwischen Hype und Realität
Wenn es um Innovationen in der Angelwelt geht, könnte man meinen, dass jeder neue Kunstköder der Heilige Gral des Fischfangs ist – zumindest wenn man den Werbekampagnen der Angelindustrie Glauben schenkt. Doch wer länger dabei ist, weiß: Die Realität sieht oft anders aus. In den 1990er-Jahren begann diese Marketing getriebene Revolution mit einem Kunstköder, der so legendär wie kontrovers ist: dem Flying Lure. Die älteren Semester können sich sicherlich noch erinnern, wie Werbung zu diesem Köder nicht nur die USA, sondern auch bei uns in Europa überall zu sehen war. In einer Zeit, in der in vielen Ländern Europas noch das Angeln mit (lebenden) Köderfischen auf Hecht dominant war, und als Kunstköder zumeist Blinker oder Spinner eingesetzt wurden, war der Flying Lure als Softbait tatsächlich revolutionär. Es wurden unzählige Varianten angeboten, zudem auch ein Set mit einer „Instant Angel“ in Form einer Teleskoprute. Dies sollte es auch blutigen Anfängern erlauben, kapitale Räuber unter versunkenen Bäumen hervorzuzaubern. Bei aller Kritik am Köder und den Werbeversprechen muss man festhalten, dass der Köder- und dabei vor allem sein kommerzieller Erfolg, großen Anteil an der globalen Weiterentwicklung von Kunstködern hatten.
Der Flying Lure: Der Hype, der alles veränderte
Der Flying Lure war mehr als nur ein Kunstköder. Er war ein Medienphänomen, das in Fernsehwerbungen und Angelshows omnipräsent war. Entwickelt von Alex Langer, versprach dieser Köder nichts weniger als eine Revolution. Das Rückwärtsgleiten des Flying Lure sollte es ermöglichen, Fische aus schwer zugänglichen Verstecken hervorzulocken. Ein Versprechen, das vor allem unerfahrenen Anglern Hoffnung auf ungeahnte Erfolge machte.
Die Angelindustrie griff dieses Narrativ begeistert auf. Der Flying Lure wurde als „Game-Changer“ verkauft, ein Muss in jeder Tacklebox. Die mediale Präsenz war so überwältigend, dass er nicht nur in den USA, sondern auch in Europa zum Gesprächsthema wurde. Doch der Hype hatte einen entscheidenden Makel: Viele Angler, die sich den Köder kauften, merkten schnell, dass er nicht so magisch funktionierte, wie die Werbung es versprochen hatte. Rückwärts gleiten? Ja. Wunderdinge vollbringen? Nein.
Das Vermächtnis des Flying Lure: Marketing über alles
Mit dem Flying Lure wurde ein neuer Standard in der Kunstköderbranche gesetzt, aber nicht in puncto Innovation, sondern in Sachen Marketing. Seither jagt ein vermeintlich revolutionärer Köder den nächsten. Von vibrierenden Lipless Crankbaits bis hin zu hyperrealistischen Softbaits mit eingebauten Duftstoffen – die Angelindustrie hat gelernt, wie man Produkte verkauft, die oft mehr versprechen, als sie halten können.
Der Haken dabei: Viele dieser Köder basieren auf cleverem Design und eindrucksvollen Verpackungen, erfüllen jedoch die hochgesteckten Erwartungen nur selten. Der Flying Lure mag der Anfang gewesen sein, doch er ist längst nicht das einzige Beispiel für den Zwiespalt zwischen Hype und Realität.
Eine Industrie der Versprechungen
Die Kunstköderbranche floriert in einer Welt, in der Angler ständig auf der Suche nach dem nächsten „Wunderköder“ sind. Doch die Wahrheit ist ernüchternd: Viele Köder fangen mehr Angler als Fische. Das ist kein Zufall, sondern ein Geschäftsmodell. Die Angelindustrie lebt davon, Produkte nicht nur als Werkzeug, sondern als Träume zu verkaufen. Träume von kapitalen Fängen, die mit ein bisschen Gummi, Blech oder Plastik plötzlich erreichbar scheinen.
Die Industrie weiß, dass Angler gerne kaufen – und das am liebsten in großen Mengen. Am Ende des Tages sind es nicht die Fische, die über den Erfolg eines Köders entscheiden, sondern die Kaufentscheidungen der Angler. Ähnlich wie bei den Kunstködern verhält es sich auch beim Karpfenangeln. Diesbezüglich habe ich vor einiger Zeit einen interessanten Beitrag über Boiliefarben von Robin Illner gesehen. Dabei bringt er das Beispiel, dass Erdbeer Boilies immer rot sind, wobei es den Fischen herzlich egal ist, ob die Kugeln die reale Farbe einer Erdbeere haben, nachdem Karpfen im realen Leben relativ selten auf Erdbeeren stoßen. In Gewässern, in denen Erdbeergeschmack gut funktioniert, gleichzeitig aber dunkle Boilies erfolg bringen, würde sich somit ein dunkler Erdbeerboilie durchaus anbieten. Wie er aber richtigerweise festhält, würde sich ein solches Produkt nicht verkaufen lassen, da schließlich der Mensch die Kaufentscheidung trifft, und nicht der Fisch. Und für uns Menschen muss ein Erdbeer Boilie nun mal rot sein.
Warum die Realität immer wieder enttäuscht
Die Angelindustrie spielt geschickt mit den Erwartungen ihrer Kunden. Es wird suggeriert, dass der richtige Köder den Unterschied macht – ein verführerischer Gedanke, besonders für Anfänger. Doch in der Praxis sind es oft Faktoren wie Wetter, Gewässerstruktur, Fischverhalten und vor allem die Erfahrung des Anglers, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.
Hinzu kommt, dass viele „Wunderköder“ unter idealen Bedingungen getestet werden, um beeindruckende Ergebnisse zu erzielen – Bedingungen, die am heimischen Gewässer selten vorkommen. Die Enttäuschung ist programmiert, wenn der teuer gekaufte Köder nach Stunden im Wasser keine Bisse bringt.
Ein kritischer Blick auf die Angelindustrie
Der Flying Lure war der Anfang einer Entwicklung, die bis heute die Angelindustrie prägt: der Verkauf von Träumen, oft auf Kosten der Realität. Während der Köder an sich vielleicht keine schlechte Erfindung war, ist sein Vermächtnis eine Branche, die mehr auf Marketing als auf Substanz setzt. Angler tun gut daran, sich nicht von jedem Hype mitreißen zu lassen, den oftmals sind die viel gepriesenen Wunderköder so konzipiert, dass sie den Angler ansprechen, und nicht die Fische. Schließlich ist es auch der Angler, der die Rechnung bezahlt.