Wie sich Hechte in regulierten Fließgewässern fortpflanzen

Der Hecht zählt zu den beliebtesten Raubfischen unserer heimischen Gewässer. Besonders faszinierend ist seine Laichbiologie: Hechte benötigen für die Eiablage flache, überschwemmte Wiesen, krautreiche Uferzonen oder Auenbereiche. Doch wie funktioniert diese natürliche Reproduktion heute, in Zeiten von Flussbegradigungen, Staustufen und verminderten Schmelzwasserereignissen?
Historisch ideale Bedingungen: Überflutete Wiesen zur Laichzeit
Früher waren regelmäßige Frühjahrsüberflutungen in vielen Flusssystemen an der Tagesordnung – vor allem durch die Schneeschmelze und natürliche Hochwasserereignisse. Diese Bedingungen schufen ideale Laichplätze: Flache, krautreiche Zonen mit langsam fließendem oder stehendem Wasser, die ab etwa 7 bis 10 Grad Wassertemperatur zur Laichzeit von Februar bis April überschwemmt wurden. Dort konnten Hechte ihre Eier an Wasserpflanzen und überflutete Gräser heften, und der Nachwuchs fand reichlich Nahrung sowie Schutz vor Strömung und Fressfeinden.
Die Situation heute: Regulierung und Laichplatzverlust
Durch Flussbegradigungen, Wehre, Staustufen und den massiven Ausbau von Hochwasserschutzmaßnahmen sind viele dieser natürlichen Überschwemmungsflächen heute verschwunden. Die Gewässer sind eingedeicht, die Flüsse tief eingeschnitten, die Ufer befestigt – großflächige Überflutungen zur Laichzeit bleiben aus. Das hat direkte Folgen für die Reproduktion des Hechts:
Fehlende geeignete Laichflächen
Schlechte Überlebenschancen der Eier und Jungfische
Starke Abhängigkeit von künstlichem Besatz
Können Hechte dennoch laichen? Ersatzhabitate und Notlaichplätze
Auch in regulierten Gewässern finden Hechte gelegentlich Alternativen. Dazu zählen:
- Flache Buhnenfelder
- Rückstaubereiche von Staustufen
- Nebengewässer oder Altwasserzonen
- Hafenbecken oder Seitenarme
Diese Ersatzlaichplätze sind jedoch häufig kleinräumig, störanfällig und bieten nicht dieselbe Schutz- und Nahrungsqualität wie natürliche Überschwemmungsflächen. Das Risiko von Fehlschlägen bei der Fortpflanzung ist entsprechend hoch.
Wissenschaftliche Erkenntnisse: Studien zur Hechtreproduktion
Eine der bekanntesten Studien zu diesem Thema stammt von Skov et al. (2002), die in dänischen Flussauen das Reproduktionsverhalten von Hechten untersucht haben. Dabei zeigte sich, dass ohne Überflutungsflächen der Reproduktionserfolg stark eingeschränkt ist und Hechte in regulierten Flüssen deutlich geringere Laichplatzauswahl und Laicherfolge aufweisen.
Auch in Deutschland belegen Untersuchungen im Rhein-System (zum Beispiel Projekt „Rhein 2020“) sowie an der Elbe, dass Hechte vor allem dort erfolgreich reproduzieren, wo Auenbereiche wieder an die Fließgewässer angebunden sind oder gezielte Laichhabitate geschaffen wurden. So konnten beispielsweise durch Wiederanbindung von Altwässern an den Niederrhein deutliche Verbesserungen der Junghechtbestände erreicht werden.
Ein weiteres Beispiel ist das Hechtprojekt des Landesfischereiverbands Bayern, bei dem künstlich geschaffene Laichbuchten an regulierten Flüssen installiert wurden. Dort werden Flachwasserbereiche zur Laichzeit geflutet und anschließend langsam abgelassen, um ideale Bedingungen für Eiablage und Aufwuchsphase zu gewährleisten.
Besatzmaßnahmen als Überbrückung – aber keine Lösung
In vielen Fließgewässern wird der Bestand an Hechten heute vor allem durch Besatzmaßnahmen (Junghechte oder vorgestreckte Setzlinge) gestützt. Ohne diese künstliche Unterstützung wären die Bestände mancherorts bereits zusammengebrochen. Doch langfristig kann Besatz keine natürliche Fortpflanzung ersetzen – genetische Vielfalt und Anpassungsfähigkeit bleiben dabei auf der Strecke.
Renaturierung als Hoffnungsträger
Positivbeispiele zeigen: Durch Auenrenaturierung, Wiederanbindung von Altarmen und Schaffung flacher Überschwemmungszonen lässt sich der natürliche Fortpflanzungserfolg von Hechten wiederherstellen. Solche Maßnahmen verbessern nicht nur den Hechtbestand, sondern fördern auch viele weitere Arten, die auf ähnliche Lebensräume angewiesen sind.
Hechte sind auf flache, krautreiche Laichplätze angewiesen, die in vielen regulierten Fließgewässern nicht mehr existieren. Ersatzhabitate können den Reproduktionserfolg nur teilweise sichern, während Besatzmaßnahmen oft notwendig, aber keine nachhaltige Lösung sind. Die Wiederherstellung natürlicher Überschwemmungsflächen bleibt daher der Schlüssel, um die natürliche Fortpflanzung des Hechts langfristig zu sichern und stabile Populationen zu fördern.
Wer langfristig gesunde Hechtbestände erhalten möchte, kommt an Renaturierungsmaßnahmen nicht vorbei – denn ein guter Laichplatz ist durch nichts zu ersetzen.